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Wie immer versuchte ich, mich dagegen zu wehren. Doch die Beschwörungsformel war zu stark und so zog es mich langsam aber sicher weg aus meiner Heimat. Meine Substanz wurde gestreckt, zusammengestaucht, verknotet und entknotet. (1) Wie ein Kind aus den Armen der Mutter wurde ich dem Anderen Ort entrissen.
Ich fühlte kühlen Steinboden unter mir und die gleichsam vertrauten und verhassten Bannkreise des Pentagramms zu meinen Seiten. Getreu den uralten Gesetzen musste ich mich materialisieren. Was für eine Gestalt sollte ich wohl wählen? Ein Axt schwingender Skelettkrieger? Eine Chimära? Ein Steingolem? Ein Gnu? Oder völlig aus der Reihe tanzen und als Holztisch erscheinen? Wofür auch immer ich mich entschied, es musste mein Gegenüber gehörig schocken. (2)
Ehe ich nicht sah, mit wem oder was ich es zu tun hatte, wollte ich mich nicht festlegen. Um Zeit zu schinden, füllte ich das Pentagramm mit einer gehörig stinkenden Schwefelwolke. Lautes Husten drang aus dem benachbarten Bannkreis.
Schlussendlich konnte ich meine Umgebung endlich ausmachen. Mein Blick fiel auf einen kleinen Steinaltar und eine hohe Decke. An der Wand hing ein Kreuz, darunter stand ein Bildnis der heiligen Maria. Ich war in einer Kirche.
Passend zu meiner Umgebung ließ ich die Schwefelwolke verschwinden und erschien als nackte Frau.
Was mein Gegenüber gehörig aus der Fassung brachte. (3)
„Was soll das, Dämon? Du befindest dich im Hause Gottes! Bedecke dich!“
„Du kannst mich mal“, erwiderte ich und wickelte locker lässig eine Strähne meines langen roten Haares um den Zeigefinger.
Mir gegenüber stand ein kleiner Kerl mit schütterem grauem Haar und vor Zorn rotem Kopf. Er trug ein herkömmliches schwarzes Priestergewand mit Kragen und auf seiner Nase thronte eine kleine Brille.
„Ich warne dich nur einmal: Bedecke dich!“, bellte er.
„Seit wann glauben Zauberer an den lieben Gott?“, erkundigte ich mich höflich und ließ meinen Busen noch etwas wachsen.
Der Zauberer hob die Hand. Ich vernahm die erste Silbe des Umkremplers.
„Hör mal, das wird deinem frommen Kirchlein sicher nicht gut bekommen….den Teppich kannst du danach wegschmeißen. Und den Messwein würd ich auch nicht mehr trinken…“
Er sprach die zweite Silbe.
„Außerdem, heißt es bei euch nicht ‚Liebe deinen Nächsten?’“
Mit der dritten Silbe begann ich ein schmerzhaftes Ziehen in meinem Unterleib zu fühlen. Hastig bedeckte ich meinen Körper mit einem Kleid.
Der Pfarrer ließ die Hand zufrieden sinken. „Na also, geht doch.“
„Kein Grund, gleich ungemütlich zu werden.“, antwortete ich.
Er seufzte und strich sich durchs Haar. „Es hieß in den Büchern ja, dass du eine verdammt große Klappe hast und es keinen frecheren Dschinn als dich gebe, aber das….“ Er wies mit der Hand auf meine Erscheinung, „Das übertrifft all meine Erwartungen um Weiten.“
„Frech? Ich?“ Also das war doch die Höhe! Was dachte sich dieser alte Zausel, wer er war? „Vielleicht sollten euer Hochwürden besser darauf achten, was für Bücher ihr zu rate zieht.“
„Die Bücher, die jeder zu Rate zieht. Du kommst bei Aristoteles und Platon nicht gut weg. Odysseus macht dich sogar dafür verantwortlich, dass deine große Klappe Achilles in den Tod getrieben habe. Und Newton bezeichnet dich als Grobian. (4) “, erwiderte er gelassen.
„Odysseus? War das nicht der, der nach einer missglückten Beschwörung zehn Jahre durchs Mittelmeer gesegelt ist und nicht mehr nach Hause fand?“, fragte ich höflich nach, „Falls ja, solltest du dir bessere Quellen suchen. Der alte Odysseus war völlig plemplem, das wusste damals jeder.“ (5)
„Wie dem auch sei, ich habe einen Auftrag für dich.“
Jetzt ging das wieder los! Es war doch immer die gleiche alte Leier, nie konnte man in Ruhe ein Pläuschchen halten, immer musste man schuften. „Wart mal, Meister. Du magst ganz gut über mich bescheid wissen, aber dürfte ich auch erfahren, wer zum Geier du bist?“
„Ja, klar. Wo hatte ich nur meine Manieren? Benjamin Woods, angenehm.“, sagte er und nickte mir freundlich zu. „Du kannst mich auch Ben nennen.“
„Ja, äh….Hallo, Ben!“ Ich gestehe, diese Vorstellung brachte mich ein ganz kleines bisschen aus dem Konzept. Normalerweise waren Zauberer fiese, arrogante Typen, die nicht selten darauf bestanden, dass man sie mit „Meister“, „Erhabenster“, „Durchlauchtester“ oder ähnlichem Schwachsinn ansprach. Ein „Ben“ war mir bisher nicht untergekommen.
„Nun, Bartimäus, können wir jetzt zu deinem Auftrag kommen oder musst du sonst noch etwas wissen?“, erkundigte er sich.
„Ja. Wo sind wir?“
„Dawson City, Nordamerika, 1802. Reicht dir das?“
1802. Es war gute 300 Jahre her, seit ich das letzte Mal auf der Erde gewesen war und die Cheopspyramide ausmessen musste. Wie die Zeit verging…. „Nein. Seit wann verkleiden sich Zauberer als Priester?“
Ein Lächeln huschte über Woods’ Gesicht. „Ich habe mich nicht verkleidet. Ich bin wirklich Pfarrer.“
„Ohne Scheiß?“
„Ohne Scheiß. Hier im wilden Westen ist es nicht so einfach, Zauberer zu sein. Die Gewöhnlichen sind in der Überzahl.“
Ich gähnte demonstrativ. „Sind sie das nicht immer?“
„Ja. Aber hier trägt auch jeder zweite einen Sechsschüsser. Und Zauberer sind besonders beliebte Ziele.“
„Ach, die Gewöhnlichen sind bewaffnet und schon ziehen die ach so wehrlosen Zauberer den Schwanz ein?“
Woods hob die Hand. „Weißt du, es wäre verdammt schade, wenn mein Teppich wegen dir leiden müsste. Es ist verdammt schwer, hier in dieser Gegend zu einem Teppich zu kommen.“
„Oh, Verzeihung. Ich wollte das Inventar nicht gefährden.“, antwortete ich mit einem Anflug von Sarkasmus.
„Also hör bitte zu und unterbrich mich nicht ständig. Ich erklär dir, um was es geht.“ Woods nahm seine Brille ab und versuchte sie mit einem Zipfel seines Gewandes zu reinigen. „Wir sind hier in Amerika, im wilden Westen. Die Menschen hier haben vor langer Zeit erfolgreich gegen die Herrschaft der Zauberer gekämpft und sich vom britischen Imperium losgelöst. Präsident der Vereinigten Staaten ist zwar immer noch ein Zauberer, aber auch Gewöhnliche sitzen in der Regierung.“ Er hielt seine Brille gegen das Licht und setzte sie zufrieden wieder auf. „Nicht, dass das was ausmachen würde. Die Regierung hat nur an der Ostküste wirklich Einfluss. Die Gegend hier ist rau, das Recht des Stärkeren regiert. Viele tragen offen eine Schusswaffe mit sich herum und beinahe jeder hat in seinem Haus eine Flinte. Die Leute haben auch ohne Zauberer zu kämpfen gelernt.“
„Und du möchtest, dass sich das wieder ändert?“
„Nein, ich will, dass es so bleibt.“


1 Worte vermögen gar nicht zu beschreiben, wie es sich anfühlt. Man sollte mal einen Zauberer beschwören, wäre sicher gut für seine Manieren.
2 Verlässt ein Zauberer während der Beschwörung seinen Bannkreis (z.B. weil er sich vor Schreck fast in die Hose macht), darf ich ihn fressen. Wobei es schon Dschinn gegeben habe, die auf dieses Recht wegen des schrecklichen Geruchs verzichteten.
3 Nein, er sprang nicht aus seinem Kreis.
4 Der hatte es aber auch verdient. Wie begriffsstutzig kann man denn sein? Ich musste ihm einen ganzen Korb Äpfel an den Kopf werfen, bis er das mit der Schwerkraft begriff.
5 Hatte der doch wirklich die Idee, sich in einem Pferd zu verstecken. Das einzig gute daran war, dass er uns dadurch zum Bau eines großen hölzernen Pferdes inspirierte, das wir dann den Trojanern….aber die Geschichte kennst du eh, nicht?


Ein Dschinn auf Abwegen - Teil 2

Zitat

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Hier nur ein "t" ;).

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Du meinst wohl "s" ;-)

Zitat

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Jetzt ist natürlich die Frage, ob "Ben" sein angenommener Name oder sein Geburtsname ist.

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Tja, who knows?

Mach das - dann hab ich vielleicht irgendwann doch noch die Motivation, weiterzuschreiben *g*