Dieses Jahr schien es ungewöhnlich schnell Herbst zu werden. Doch was sollte man schon nach so einem Sommer schon erwarten? Die Blätter der Kastanie vor der Chat Noir in der Rue de Glace färbten sich gelb und kaum hatte die Sonne die Giebel des 21. Arrondisement erreicht, regneten sie wie frisches Fallobst auf die noch verschlossenen Stühle und Tische.
»Jaques«, rief Peter »Sei so nett und mach die Blätter weg, bevor die die Stühle aufstellst«
Sein Lehrling kam herbeigeeilt und holte sich einen Besen aus dem Schrank »Sehr wohl Monsieur Briconara«
Peter schaute aus dem Fenster und sah noch weitere Blätter herunter fallen.
»Ein Schutzschild wäre auch nicht schlecht«
Jaques holte seinen Zauberstab aus seiner Kellnertasche und sah nachdenklich aus dem Küchenfenster.
»Was ist, Jaques?«
»Welchen Zauberspruch soll ich da...« Der Junge sah zu ihm und erschrak »Ääähm... ich meine... Verzeihung ... ich hatte vergessen ... dass Sie kein ...«
Peter lachte »Ist kein Problem. Versuche es doch mit ´impervius´. Wenn das nicht hilft, probiere ich es nachher selbst einmal.«
Jaques eilte davon und Peter probierte von der Grindelow-Bouilabaisse, die er seit einigen Minuten perfekt zu würzen versuchte.
Er musste sich nachher noch in Schale schmeißen, denn heute würde er wieder einen alten Bekannten besuchen.
Hogwarts.
Heute fand die Gedenkfeier zum zwanzigjährigen Jubiläum des Wiederaufbaus von Hogwarts nach der Schlacht statt. Und ausgerechnet er sollte eine Rede halten.

Er holte einen Zettel aus seiner Kochjacke hervor und las zum zehntausendsten Mal die Rede durch, die er zusammen mit Myjana und Arebe vorbereitet hatte.
»Sehr geehrte Zauberergemeinde, wir haben uns heute hier versammelt, um...«
Seine Muttersprache war ihm nach all den Jahren in Frankreich erstaunlich fremd geworden. Diese ganzen Wörter, von denen er noch nie etwas gehört hatte und mit denen Myjana herumjonglierte, als würde sie den ganzen Tag nichts anderes machen. »In -te- gration ... notwendig ... beschämend ... vorbildlich Aufarbeitungsarbeit unserer Zaubereiministein Hermine Granger-Weasley... nein, das heißt vorbildliche... vorbildliche mit E...«
Ihm wäre es so viel lieber, er könnte diese Rede auf drudonisch oder französisch halten. Oder gar nicht.
»Wer ist denn schon so vorbildlich am Lernen?«
Peter drehte sich um. Arebe stand im Türrahmen.
»Diese verdammte Rede bringt mich noch ins Grab.«
Arebe kam zu ihm rüber und gab ihm einen Kuss.
»Wenn man bedenkt, was du schon alles überlebt hast, wird dich diese kleine Rede doch nicht umbringen.«
Peter seufzte. Er würde es jetzt viel lieber mit dem dunklen Lord aufnehmen. Oder verstecken. Im letzten Eck vergraben.
Er folgte Arebe nach oben.
»Hast du schon gehört? Umbridge und Travers sind frei gekommen. Wegen guter Führung. Lucius Malfoy meint, sie werden auch auf der Feier sein.« Sie sah auf den Boden.
Sein Kloß im Hals vergrößerte sich. »Er ist vermutlich auch da, oder?«
»Natürlich. Alle großen Tiere werden dort sein. Und bei der Position, die Draco hat, kann sich das Lucius nicht entgehen lassen. Zudem kann er da nochmal richtig Stunk wegen den Kobolden machen.«
Na super, das beruhigte Peter nicht wirklich. Alle hohen Tiere werden da sein. Also vermutlich auch Harry Potter. Und die Weasleys. Und der Rest vom Orden. Ein paar seiner alten Todesserkumpels. Und er mitten drin auf dem Präsentierteller. Noch ein Grund mehr davonzulaufen.
Er sah auf seinen Arm, auf dem die Narben seines dunklen Males noch schwach zu sehen waren.
Er lies sich auf den Küchenschemel fallen. Er wollte diese dumme Rede nicht halten. Sollte sich doch jemand anderes zum Affen machen. Das war doch sinnlos!
Sein Blick glitt über die Fotowand. Sein Hochzeitsbild mit Arebe, daneben Familienfotos. Seine Söhne bei ihrer Bac-Zeugnisvergabe. Er, wie er dem Koboldkönig die Hand schüttelte. Und ein Foto von Agylyala. Kriegsheldin, seine Mentorin in seiner Zeit als Jungdruide. Erlag wenige Wochen nachdem sie eine feurige Rede zum zehnten Jubiläum gehalten hatte an ihrer Scipdruidose. Ihre Reden waren immer so leidenschaftlich gewesen, nicht dieser hochkandidelte Quatsch.
Ihm kamen die Tränen hoch. Das Papier mit der Rede in seinen Händen zitterte.
Kobolde. Malfoy. Umbridge. Agylyala. Harry.
Das war einfach zuviel.
Er zerriss das Blatt mit seiner Rede.
»Peter« Arebe griff erschrocken nach seiner Hand. »Was machst du da?«
»Ich muss meine Rede neu schreiben«
Er nahm sich Pergament und eine Feder und lies seinen Gefühlen freien lauf.
So etwas was ihm passiert ist, durfte niemanden passieren.
Niemand soll die Fehler begehen, die er gemacht hatte.
Wegsehen.
Sich verstecken.
Jetzt erst recht nicht.
Gedankenverloren berührte er die Narben seines dunklen Mals.
Es hatte seit zwanzig Jahren nicht gebrannt.
Und so sollte es auch bleiben.