Vorneweg gesagt:

Ich weiß nicht, was das soll. Es ist Samstag, früh am Morgen. Ich lag die halbe Nacht wach, den Rest der Zeit habe ich schlecht geschlafen. Ohne Lestat ist es eben... nicht so wie es sein sollte. Jedenfalls stolperte ich zufällig über ein paar merkwürdige Sachen in "Interview mit einem Vampir" (ich meine das Buch) und heraus kam... dieses.
Alle Orte und Charaktere gehören Anne Rice - eine Ausnahme bilden die, die ich selbst erfunden habe:
Azazella
Raoul
vielleicht noch jemand. Wir werden sehen.
Die Sache hat nichts mit meinem Mann zu tun und ist nicht psychologisch oder sonstwie zu interpretieren - sie hat mit mir etc. nichts zu tun. Nichts!
Die Handlung ignoriert Lestats Schwur in "Memnoch", keine neuen Vampire zu erschaffen - obwohl das eigentlich nicht nötig wäre, in einem späteren Buch bricht er den Schwur ohnehin (Mayfear-Hexen: Mona). Egal. Ehe ich euch im Vorwort alles verrate, was ich schreiben will, fasse ich mich mal kürzer. Es geht los.
Viel Spaß damit.
Bitte schreibt fleißig Kommentare.

Eure Verity

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The image of my kind is just
A comic book charade
They demonized this thing that I became
The truth is lost, the cliches still remain

Teil 1 - Zerstörung und Wiedergeburt

"Mama! Maaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaama!" schrie sie sich die Seele aus dem Leib. Zella war noch nie so einsam gewesen wie jetzt, inmitten all der Menschen um sie herum - Dutzende? Tausende? Millionen? Ihr kleiner Kopf drehte sich beim Versuch, die richtige Zahl zu finden. Hunderte Millionen von Milliarden Menschen!
Und niemand hörte sie schreien, niemand suchte mit ihr nach ihrer Mutter. Sie alle rannten in eine andere Richtung, weg vom Lärm, von der bebenden Erde, der Asche, die die ohnehin schon dunkle und sternenlose Nacht in ein undurchdringliches Tuch verwandelte, das Zella zu ersticken drohte.
Sie hustete, ihre Kehle war heißer gebrüllt und sie hatte keine Kraft mehr, weiterzurennen. Inmitten all der Menschen setzte sie sich einfach auf einen Stein und weinte.
Niemand achtete auf sie. Keiner rief: "Geh weg hier, Mädchen! Oder du stirbst!"
Sie alle wollten ihr eigenes Leben vor dem Vulkan retten, der immer mehr Feuer, Lava, Asche ausspuckte.
Die Tränen flossen über ihr rußiges Gesicht, aber das war Zella im Moment egal. Wo war nur ihre Mami? Das Herz verkrampfte sich ihr bei dem Gedanken, dass sie vielleicht noch weiter hinten war, dort, wo große Steinblöcke mehrere Häuser und Einkaufszentren zerschmettert hatten. Und die Schule...
Auf einmal legte sich eine eiskalte Hand auf ihre Stirn. Inmitten der fürchterlichen Hitze tat die Berührung gut, Zella erschrak nicht. Vorsichtig hob sie den Kopf und sah in die ungewöhnlich schönen, hellblauen Augen eines Mannes, dessen helles Haar im wenigen und diffusen Licht schimmerte. Irgendwas an ihm war gefährlich, aber er war gut zu ihr. Also musste auch er gut sein.
Als hätte der Mann ihre Gedanken gelesen, lächelte er. "Komm, Zella. Fliegen wir hier weg. Und was deine Mami angeht... Du wirst sie vergessen, wie du diese Nacht vergessen wirst. Alles wird gut, Zella. Alles wird gut..."
Sie war ein Kind und glaubte noch an Märchen und an Wunder - es fiel ihr nicht auf, dass er ihren Namen kannte oder wusste, dass sie ihre Mutter gesucht hatte. Doch sie fühlte sich auf eine seltsame Weise geborgen in seinen kalten und doch starken Armen und in dem weiten Samtmantel, aus dem nur ihr Kopf herausragte um die Welt mit neugierigen, dunkelblauen und arglosen Kinderaugen zu mustern.
Sie würde das Böse niemals erkennen.

35 Jahre später...

Jahrhunderte lang hatte Raoul sich nicht getraut, mit ihm zu sprechen. Jahrhunderte, in denen er sein Klavierspiel noch vervollkommen konnte. Jahrhunderte, die ihm leer und bedeutungslos erschienen, mit denen er nichts anfangen konnte, die seine Seele nicht erfüllt hatten. Nun hatte er sich getraut, würde endlich die Fragen stellen.
Er stand vor der Villa, deren Adresse ihm ein junger Mann im "Dracula's Daughters" mit einem Bleistift hinter dem Ohr aufgeschrieben hatte, knüllte den Zettel mit seinen langen Fingern zusammen und schmiss ihn ins Gras.
Könnte sein Herz noch klopfen, so würde es jetzt gegen seine Rippen schlagen.
Doch es schlug nicht. Gut so.
Endlich traute er sich, an der Tür zu klingeln. Niemand fragte, wer er sei, die Tür ging mit einem Gong automatisch auf und er trat ein.
"Lange nicht gesehen," sagte sein Vater lakonisch und strich sich durch die blonden Locken. Er trug eine schwarze Jeans und ein blaues Seidenhemd, dazu eine geschmackvolle, männliche Goldkette. In seinem Haar klemmte eine große, violette Sonnenbrille.
"Das stimmt, Lestat."
Jetzt wo er hier war, wusste er gar nicht mehr, was er hier gewollt hatte. Oder es schien ihm unwichtig. Er konnte unmöglich reinkommen und anfangen, sich zu beschweren.
"Warum komme ich nicht in deinem Buch vor?" würde auch reichlich überheblich klingen.
"Warum hast du mich aus deinem Leben gestrichen?" Das war noch schlimmer - es war zutiefst pathetisch und irgendwie peinlich.
"Raoul, komm. Ich führe dich herum," brach Lestat letztendlich das Schweigen. "Ich weiß, was du gerade gedacht hast und ich kann es dir erklären. Aber nicht heute, dein Auftauchen... Vergiss es." Er spürte, wie sein Erschaffer seine Verlegenheit (und seine Trauer?) unter der gewohnten Maske aus Arroganz, Eitelkeit und schwarzem Humor verbarg. Fröhlich plaudernd zeigte er ihm sein Arbeitszimmer, in dem mal wieder ein Manuskript majestätisch aus dem Laserdrucker schwebte und einen sauberen Stapel bildete. Ein Zimmer mit einer Geige, eine Menge Schlafzimmer mit Himmelbetten, Särgen, dichten Vorhängen vor den großen Fenstern.
"Aber meinen Stolz hast du noch nicht gesehen," meinte er schließlich und führte Raoul auf einer Freitreppe in einen großen Saal. Der Saal schien riesig, größer selbst als der Spiegelsaal von Versailles. Und ganz am Rande, in einer Ecke und fast unscheinbar, stand ein schwarzgolden lackierter Flügel.
"Nun?" fragte Raoul. Das sollte Lestats Stolz sein?
"Still! Sie wird uns nicht bemerken," sagte der jedoch und zog Raoul hinter einen altmodischen Samtvorhang fast direkt neben dem Instrument.
Nur wenige Minuten später betrat eine Frau den Saal. Sie hatte einen Stapel Noten bei sich, den sie majestätisch in der linken Hand trug, während ihre Rechte zierlich mit einem Fächer aus weißen Federn posierte. Noch nie hatte Raoul jemanden gesehen, der den Rücken beim Gehen so gerade hielt. Trüge diese Frau ein Buch auf dem Kopf, so würde es auch nach einer Weltreise zu Fuß nicht herunterfallen. Doch nicht nur der Gang war beeindruckend - auch die Frau selbst war nicht ohne.
Obwohl selbstverständlich leichenblass, hatte sie einen leicht goldenen Schimmer auf der Haut, wie er oft vorkam bei denen, die zu Lebzeiten doch eher dunkle Haut hatten.
Die rötlichbraunen Haare trug sie hoch aufgesteckt zu einem intriganten Knoten und ihre dunkelblauen Augen blickten kühl, aber doch irgendwie naiv auf das Klavier. Ihr dunkelblaues Seidenkleid raschelte leise, als sie sich setzte und die Noten vorbereitete.
Dann begann sie zu spielen.


Das Spiel war einfach herzzerreißend schön. Er verstand Lestat jetzt, stundenlang könnte er hinter dem Vorhang stehen und der Frau am Klavier lauschen. Nächtelang. Ohne auch nur den Anflug von Durst zu verspüren.
Doch irgendwann war auch ihr Spiel zu Ende und Lestat trat applaudierend hinter dem Vorhang hervor. Raoul folgte ihm.
"Bravo, mon amour! Du bist einfach jenseits dessen, was Worte beschreiben können!" rief er aus, kam auf sie zu, hob sie vom Klavierhocker und umarmte sie. Doch die Frau sah Raoul und erwiderte Lestats Umarmung nur kühl. Ihn schien das nicht zu stören, wahrscheinlich war er daran gewöhnt.
"Darf ich vorstellen? Das ist Raoul. Zumindest als ich ihn das letzte Mal sah, spielte er ebenfalls Klavier. Genauso wie du. Vielleicht solltet ihr einmal zu vier Händen spielen?" Er lachte, aber seine Augen waren traurig.
Die junge Frau jedoch nahm den Fächer wieder in die eine Hand und reichte ihm die andere wie zum Kuss.
"Azazella," sagte sie hoheitsvoll, neigte den schönen Kopf. Er sah nun, dass sie ihr Gesicht dezent geschminkt hatte. In ihren Ohren funkelten kleine, blaue Diamanten.
"Schön! Jetzt kennt ihr euch, da wird es euch doch nichts ausmachen, wenn ich euch für eine Weile verlasse?" fragte er.
Azazella trat auf ihn zu. "Vater, wo willst du hin und warum nimmst du mich nicht mit?"
Er küsste sie sanft auf die Lippen. "Weil ich allein sein will, Azazella. Reicht dir das nicht als Grund?"
Einen Moment lang glaubte Raoul, einen Anflug von Trotz in ihrem Gesicht zu erkennen. Doch sie nickte. "Sehr schön!"
Mit wehenden Haaren verließ er den Klaviersaal und Raoul sah, wie Azazella ihm hinterhersah. Mit einer gewissen Traurigkeit, die nicht zu ihrer Kühle passen wollte.
"Und nun?" fragte er sie.
"Was nun?" antwortete sie ein wenig giftig.
"Was wirst du jetzt machen?" sagte er unbeholfen.
"Ich habe vor, zu lustwandeln." Lustwandeln - was war das denn für ein Wort? Naja, egal.
"Aber doch nicht alleine?" Er spürte eine Sehnsucht nach dieser Frau, die er sich nicht erklären konnte.
"Selbstverständlich allein. Mit wem denn sonst?" Sie zog die Augenbrauen hoch und gab ihm einen Klaps mit dem Fächer, als er ihre Hand nehmen wollte.
"Mein schönes Fräulein, dürft' ich wagen, Arm und Geleit Ihnen anzutragen?" fragte er mit einem leichten Grinsen.
Sie neigte ihren Kopf und rollte ein wenig mit den Augen. "Na schön, Raoul. Wie beliebt."
Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinab und traten in den Garten.