Raoul erwachte in den letzten Sonnenstrahlen. Wie sollte er sich verhalten? War Lestat bereits zurückgekehrt und wie sollte er mit Azazella reden? Schnell zog er sich an, verließ sein Zimmer und fand sich im riesigen Anwesen wieder, ohne wirkliche Orientierung zu haben.
Eine Weile blieb er still im Flur stehen, bis er aus der Ferne leise Klaviertöne hörte und ihnen folgte.
Erneut gelangte er in den riesigen, leer wirkenden Saal, in dem Azazella spielte. Kaum hatte er den Raum betreten, da hielt sie im Spiel inne und legte ein anderes Notenheft auf das Pult.
„Du sollst gut sein,“ sagte sie leise und zeigte auf den freien Platz neben sich. Ein wenig überrumpelt, setzte er sich neben sie.
„Guten Abend,“ sagte er aus Pflichrgefühl heraus. „Ist er noch immer nicht zurück?“
Statt einer Antwort zeigte das Mädchen in die Noten.
„Das spielst du, das spiele ich,“ sagte sie, wieder ganz die Eisprinzessin.



Sie spielten noch nicht allzu lange, als Lestat den Salon betrat. Raoul wollte aufstehen und etwas sagen – irgendwie fühlte er sich bei etwas Verbotenem ertappt. Azazella jedoch nahm ihren Fuß für einen Augenblick vom Pedal und drückte leicht auf seinen Schuh.
Ein wenig nervös blieb er sitzen und spielte weiter.
Während Azazella ihn jedoch keines Blickes würdigte, blickte Raoul oft verstohlen in Lestats Richtung.
Lestat war es auch, der letztlich das Schweigen brach.
„Wie schön, ein eingespieltes Spiel,“ lachte er mit einem ironischen Unterton. Azazella schwieg und die zwei spielten weiter.
„Oder eher – eine eingeschworene Verschwörung?“
Raoul schnaubte.
„Gegen wen denn?“
Azazella schwieg und spielte weiter.
„Ja gegen wen? Eine interessante Frage. Gegen dich wohl, nicht, Raoul. Vielleicht gegen Azazella?“
„Ich würde mich nie gegen dich verschwören und das weißt du,“ flüsterte die Vampirin kaum hörbar und klappte den Klavierdeckel zu.
Raoul wusste, dass Lestat in der Hinsicht ein gebranntes Kind war und überreagieren könnte. Konnte Azazella ihn so beruhigen? Wollte sie das überhaupt?
„Komm schon her,“ sagte er, packte sie grob am Arm und zerrte sie von der Bank. Dann warf er Raoul Noten zu Füßen.
„Spiel das.“
Bei diesen Worten nahm er seine Geige und fing an zu spielen, wobei er Azazella immer noch an sich geklemmt hielt.