Ihre Augen waren geschlossen, sie fühlte sich seltsam, fast schwerelos. Es war nicht wie sonst beim Aufwachen, kein Ziehen in den Knien, kein Bohren in der Hüfte, kein Schmerz in den Knochen, all die Anzeichen des Alters, die nach Dumbledores Tod wieder so stark geworden waren, sie waren verschwunden, stattdessen ein Gefühl von Leichtigkeit ...
Sie sah sich als Kind am Krankenbett ihrer gelähmten Urgroßmutter, hörte sich fragen: „Wie geht es dir heute, Omchen, hast du noch Schmerzen?“ - und sie hörte die Antwort: „Ach, Kindchen, wenn du erst mal so alt bist wie ich, und du wachst morgens auf – und es tut dir nichts weh – dann bist du gestorben.“
So war das also. Sie hatte sich ihren Tod anders vorgestellt. Und es war so vieles unerledigt geblieben, sie hatte Harry nicht helfen können, die Horkruxe aufzuspüren, sie hatte ihm nicht einmal mehr sagen können, dass Snape immer noch auf seiner Seite war. Dieser Riddle, er wütete noch immer, hatte er sie nun doch noch erwischt. Sie schauderte bei der Erinnerung an diese unheimliche Versammlung seiner Anhänger – wie sie alle an diesem Tisch gesessen und sie angestarrt hatten ... Sie würden Harry jagen! Wer konnte ihm jetzt noch helfen? Und dann Draco – er war vom Stuhl gefallen, hatten sie ihn vielleicht schon zum Mörder gemacht? So viele Fragen – und sie würde keine Antwort mehr darauf finden, diesmal nicht. Ihr Weg war zu Ende, dies war sicher, sie war tot. Ob sie ihre Augen öffnen konnte? Was würde sie erwarten? Sie erinnerte sich, etwas darüber gelesen zu haben, etwas Tröstliches, über sich auflösende Dunkelheit, über ein fernes grünes Land und weiße Strände unter einer rasch aufgehenden Sonne … Sie schlug die Augen auf – doch da war nichts, gar nichts. War sie nun enttäuscht ? Wie es wirklich ist – niemand kann den Lebenden je davon erzählen ... In der Ferne tauchte eine weiße Gestalt auf, ganz offensichtlich ein Zauberer, weißes Haar und weißer Bart – das konnte doch nicht wahr sein! Der weiße Zauberer! Unsicher sprach sie ihn an: „Gandalf - ?“ Sie traute ihren Augen nicht wirklich, und doch, die Gestalt bewegte sich auf sie zu, kam näher und näher.
„Charity, wieso bist du hier - erkennst du mich denn nicht – und was für Geheimnisse hast du noch? Wie viele Zauberer kennst du denn noch außer mir? Wer ist dieser Gandalf?“
Nun, da er vor ihr stand und sie mit seinen durchdringenden blauen Augen ansah, erkannte sie ihn natürlich. „Albus, das sind viele Fragen auf einmal, aber du sahst eben genauso aus, wie ich mir Gandalf immer vorgestellt habe. Gandalf, der weiße Zauberer, Mithrandir ...“ „Mal ehrlich, Charity, du hast mir gesagt, ich wäre der einzige Zauberer, dem du begegnet bist, bevor du nach Hogwarts gekommen bist. Wer ist dieser Gandalf? Ist er auf unserer Seite? Und wieso kenne ich ihn nicht?“ Albus‘ Fragen prasselten immer schneller auf Charity ein, doch sie schmunzelte nur: „Gandalf ist eine Figur aus meinem Lieblingsbuch, aber – merkwürdig, das ist mir früher nie aufgefallen - du bist diesem Zauberer in vielen Dingen sehr ähnlich.“ „Du hast Bücher über Zauberer gelesen? Wer da wohl das internationale Geheimhaltungsabkommen verletzt hat ...“ „Ach, Albus, niemand hat irgend ein Abkommen verletzt mit diesen Büchern, die Geschichte darin ist ausgedacht – von einem Schriftsteller mit sehr viel Phantasie. Er hat eine eigene Welt erschaffen, mit den verschiedensten phantastischen Wesen, die alle eine eigene Sprache und eigene Schrift haben – auf über 1000 Seiten. Und es ist eine ganz tolle, spannende Geschichte. Bei uns in der Muggelwelt heißt das Fantasy.“ Albus schaut die kleine Frau ungläubig an: „Und da gibt es einen Zauberer, der mir ähnlich ist?“ „Ja, er ist alt und weise und manchmal geheimniskrämerisch und er hat einen eigenartigen Humor und er kann gut mit Feuer zaubern, er gibt sich oft bescheiden und doch ist er, wenn es darauf ankommt, unerbittlich ...“ Dumbledore blinzelt, als hätte er ein Sandkorn ins Auge bekommen, während Charity leise hinzufügt: „ … aber das ist alles sehr schwer zu erklären. Es ist eine lange und komplizierte Geschichte.“ „Oh, wir haben hier Zeit, viel Zeit. Doch bitte – sag mir zuerst, wieso du hier bist. Hat es nicht funktioniert mit dem magischen Schutz von Minerva?“ „Ach weißt du, gerade, als ich ihr erklären wollte, was es mit meiner Herkunft auf sich hat, wurden wir unterbrochen – und danach ...“, sie wurde ganz kleinlaut, „hat sich einfach keine Gelegenheit mehr ergeben, immer waren andere Leute um uns herum. Sie wurde, wenn das möglich war, noch ein Stück kleiner. „Versteh doch, ich hab mich nicht getraut ...“ Albus schüttelte den Kopf, dann den rechten Arm, der wieder ganz und gar unversehrt aussah, und ohne das geringste Geräusch waren gleichsam aus dem Nichts zwei bequeme Sessel erschienen. „Wenn es länger dauert, dann sollten wir es uns bequem machen, also setz dich und erzähl mir, was passiert ist.“ „Also gut. Wo fange ich nur an? Die Sache mit dem Fidelius hat geklappt – während ich noch am Leben war, konnte niemand außer mir den Namen des Ortes aussprechen. Doch nun sind alle Ordensmitglieder zu Geheimniswahrern geworden, nicht wahr? Rufus war furchtbar neugierig, er wollte wissen, wo du immer hingegangen bist, wenn du die Schule verlassen hast. Sagte, es sei meine Pflicht gegenüber der magischen Gemeinschaft, wollte mich aushorchen, so eine Art sanfter Erpressung mit ein bisschen Drohung – Veritaserum und Seriositätssonde und so.“ - „Hat er etwas tatsächlich …?“ - „Keine Angst, ich habe ihm gesagt, was er und das Ministerium mich können – natürlich ein bisschen höflicher – und dass ich mich nur meinem Gewissen verpflichtet fühle und dem Wort, das ich gegeben haben. Bei Harry hat er es auch versucht, aber der hat ihn gleich abblitzen lassen.“ Sie schluckte. „Das war bei deiner Beerdigung. Denk dir nur – sogar die Wassermenschen und die Zentauren haben dir die letzte Ehre erwiesen. - Und Fawkes – solche Klänge habe ich noch nie gehört?“ Sie schaute ihn an mit diesem Blick, dem man nicht ausweichen konnte und fragte: „Weißt du, wo Fawkes jetzt ist, wohin er geflogen ist?“ - „Ich weiß es nicht. Ich habe ihn um etwas gebeten, aber ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was er tun kann. Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht fürchte ich mich auch, es zu erfahren. Es wird sich zeigen. Vielleicht schon bald. Doch jetzt bitte, erzähl weiter!“
Ich musste so lachen, als ich die Stelle mit Gandalf las :D. Einfach, weil ich beim Anschauen des Films (beim Buch kein bisschen) irgendwie auch dachte: Jetzt sieht er aus, wie Gandalf... Und natürlich musst du es spannend machen. Jetzt will ich doch wissen, was Fawkes tun soll!